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Ayurveda ist mehr als das Verwenden von exotischen Gewürzen beim Kochen. Ayurveda ist nicht weniger als die „Wissenschaft vom Leben“.
So komplex und vielfältig wie das Leben ist also auch Ayurveda.

Da Ayurveda solch eine komplexe Wissenschaft ist, war ich sehr gespannt auf den Interview-Termin mit der Ayurveda-Expertin Saskia Stinson-Ditschund. Ehrlich gesagt war ich zudem auch sehr gespannt, ob ich alles auf Anhieb verstehe. Doch waren meine Bedenken völlig unbegründet: Saskia schafft es mit ihrer charmanten und leichten Art ganz spielerisch und verständlich zu erklären, was es mit Ayurveda auf sich hat.

Was fasziniert dich persönlich an Ayurveda?

Die ganzheitliche Betrachtung: Mensch, Natur und Kosmos sind eins!

Ich war schon immer ein Mensch, der versucht hat den Dingen auf den Grund zu gehen, um zu verstehen, welche Umstände mich in den Ist-Zustand gebracht haben. Also – warum habe ich ausgerechnet heute Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, schlechte Laune etc. Statt diese Dinge einfach hinzunehmen und eine Tablette zu schlucken, ist es mir lieber, mich um alternative Methoden zu kümmern. Letztlich ist das doch auch genau der Grund, warum wir Yoga praktizieren, oder? Wir lernen unseren Körper zu verstehen, ihm zuzuhören und uns selbst besser kennenzulernen. Um dann im besten Fall aktiv an unserer Heilung beizutragen. Tatsächlich ist Ayurveda eines der erstaunlichsten Heilwesen unserer Zeit, da es alle Aspekte krankmachender Einflüsse betrachtet. Nicht nur die Gesundheit oder Krankheit einzelner Organe stehen im Vordergrund, sondern das Wohlbefinden des Menschen als Ganzes: körperlich, geistig und seelisch.

Was bedeutet Ayurveda und wo liegen die Ursprünge des Ayurveda?

Ayurveda – das Wissen vom langen und gesunden Leben – ist die über 3.000 Jahre alte indische Gesundheitsphilosophie und Naturheilkunde, die auch heute noch ihre volle Berechtigung hat. Ayurveda ist kein neumodisches System alternativer Heilmethoden, sondern die fundierte Wissenschaft des Lebens die 900 v.Chr. entstand und nie ihre Relevanz verloren hat. Das Ziel ist es den Menschen auf ganz natürliche Weise gesund zu erhalten oder gesund zu machen. Das Wort „Ayurveda“ kommt aus der alten vedischen Sprache Sanskrit und setzt sich zusammen aus:

Ayus = Leben +

Veda = reines Wissen

Ayurveda = Die Wissenschaft des Lebens

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Was zeichnet die drei Doshas – Kapha, Pitta, Vata – aus?

Ayurveda definiert Gesundheit als ein Zustand der Balance dreier wesentlicher Körperenergien, die in jedem Menschen in unterschiedlicher Zusammensetzung vorhanden sind, den sogenannten Doshas: Vata, Pitta und Kapha.

Unsere Welt setzt sich aus fünf Elementen zusammen: Raum (Äther), Luft, Feuer, Wasser und Erde. Diese fünf Elemente verbinden sich wiederum zu den Doshas. Jedes Dosha beruht auf der Verbindung zweier Elemente.

  • Luft und Raum ergeben das Vata Dosha: Vata ist verantwortlich für Bewegung.
  • Feuer und Wasser ergeben das Pitta Dosha: Pitta ist verantwortlich für Umwandlung.
  • Wasser und Erde ergeben das Kapha Dosha: Kapha ist verantwortlich für Formgebung.

Die Gewebe sind demnach hauptsächlich Kapha, das Verdauungssystem ist Pitta und das Nervensystem Vata.

Darüber hinaus legen die Doshas auch unsere seelischen und körperlichen Eigenheiten fest. Sie bestimmen nicht nur, welche Farbe unsere Augen oder Haare haben, sondern auch wie wir „ticken“, was unsere Persönlichkeit ausmacht. Vata Menschen sind zum Beispiel oft tiefsinnig und spirituell. Pitta Menschen hingegen leidenschaftlich und extrovertiert. Der Kapha Mensch ist der typische „Fels in der Brandung“: Verlässlich, warm und herzlich.

Wie bringe ich meine Doshas ins Gleichgewicht?

„Gesund sein“ heißt im Ayurveda immer, sich im Gleichgewicht mit der eigenen Dosha-Konstitution zu befinden. Abhängig vom Alter, der Lebenssituation, oder der Jahreszeit ändert sich allerdings die Dynamik unserer Doshas. Unsere Aufgabe ist es, durch ausgleichende Maßnahmen die eigene Grundkonstitution zu stärken und zu harmonisieren. Ist das Gleichgewicht zwischen den drei Kräften gestört, ist dies oft ein erster Schritt in Richtung Krankheit. Krankheiten entstehen nicht plötzlich, sondern sind das Ende eines langen Prozesses, der allmählich beginnt und sich immer weiter zuspitzt. Unsere Doshas funktionieren hier wie ein feines Meldesystem: zum Beispiel sehnen wir uns bei Kälte nach einer warmen Suppe. Um die innere Harmonie der Doshas zu erhalten oder wieder herzustellen, empfiehlt Ayurveda spezielle, an den einzelnen Menschen angepasste Ernährung, Tagesroutine, Körperpflege, Massagen, Yoga und Kräuter. Es wird also eine typgerechte Gesundheitsvorsorge unter Beachtung der Jahres- und Lebenszeit betrieben.

Welches Dosha ist im Winter dominierend?

Winter und Übergangszeit entspricht Vata.

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Bei welchen Krankheiten kann ayurvedische Ernährung besonders gut zur Heilung helfen?

Die richtige Kost ist das Fundament jeder ayurvedischen Therapie und gilt als ursprünglichste und wichtigste Arznei. Dabei ist Krankheit ist aus ayurvedischer Sicht ja immer als ein Ungleichgewicht zwischen den Doshas zu verstehen. Das heißt die Frage ist nicht: Welche Krankheit gilt es zu heilen oder zu vermeiden, sondern welches Ungleichgewicht liegt vor? Auch beim Thema Ernährung ruft Ayurveda also zur Selbstverantwortung auf und empfiehlt dem Einzelnen auf seine innere Stimme zu hören. Allerdings braucht es manchmal an Übung, um wirkliches Verlangen von festgefahrenen Gewohnheiten zu trennen.

Sowohl Ayurveda, als auch Yoga stammen aus Indien: Inwiefern ergänzen sich Yoga und Ayurveda?

Yoga und Ayurveda sind zwei uralte Wissenschaften die als Geschwister vor tausenden von Jahren in Indien aus der gleichen vedischen Wurzel entstanden sind. Seit jeher stehen sie in enger Verbindung und haben sich gemeinsam entwickelt und gegenseitig beeinflusst. Obwohl jede der Wissenschaften an sich Teil eines ganzheitlichen Prozesses ist, ergänzen sie sich wunderbar. Auch deshalb, weil beide auf dem gleichen vedischen Gedanken basieren: Der Mensch muss im Einklang mit seinem Wesen und seinen individuellen Fähigkeiten leben. Diese unteilbare Einheit von Körper, Geist und Seele ist es letztlich die über unsere individuellen Bedürfnisse bestimmt und dem Individuum aufzeigt, welche Nahrung, Bewegung und Lebensweise die individuell Richtige ist. Yoga ist vor allem eine Wissenschaft der Selbstverwirklichung, während Ayurveda hauptsächlich eine Wissenschaft der Selbstheilung ist. Das eine geht nicht ohne das andere: Ayurveda ist also das Fundament, auf dessen wir Yoga praktizieren.