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Schon nach den ersten Yogastunden war mir sofort klar: Meine Suche hat ein Ende. Denn als ich an der Universität erst Sport, Philosophie und Diplomsportwissenschaften studiert hatte, war ich mit dieser Kombination schon ein Paradiesvogel. Scheinbar was es ein Widerspruch sich mit Körper und Geist zu beschäftigen. Dabei hatten doch schon die Griechen und Römer gewusst, dass nur in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist stecken kann!
Dann entdeckte ich Yoga für mich -jetzt gab es also genau diese Verbindung und das in einem System das schon über 4000 Jahre alt ist! Ich war wie elektrisiert!

Es war schon damals in der therapeutischen Arbeit offensichtlich, dass körperliche Symptome ihre Ursache oft in psychischen Bereich haben, aber es gab nur wenige Untersuchungen über den Zusammenhang. Es ist ja auch für Physiotherapeuten, Ärzte und Patienten viel einfacher, wenn die Ursache lediglich auf körperlicher Ebene zu suchen und zu finden ist.

Ich habe Patienten erlebt, die Rückenschmerzen hatten, weil es ihnen psychisch nicht gut ging, aber genauso auch Patienten, die psychische Probleme bekommen haben, weil sie Rückenschmerzen hatten. Ursache und Wirkung sind hier im Einzelfall höchst unterschiedlich aber meist sehr gut erkennbar -auch wenn es die Patienten in manchem Fällen nicht wahrhaben wollen.

Deswegen war es für mich auch logisch, dass Yoga in den „alten Zeiten“ in Indien von EINEM Lehrer zu EINEM Schüler weitergegeben wurde. Über Jahre hat der Schüler bei seinem Lehrer gewohnt und ihm gedient, im Gegenzug hat der Lehrer seinem Schüler eine -wie wir es nennen würden- maßgeschneiderte „Therapie“ verpasst und ihn so auf körperlicher aber auch mentaler Ebene geholfen! War der Schüler physisch wie psychisch geheilt also erleuchtet, wurde er schließlich selber zum Lehrer. So würde das Wissen über Jahrtausende weitergegeben!

Natürlich ist es schwer, dieses Konzept in der heutigen Zeit in dieser Form weiterzuführen. Selbst Ashrams haben oft mehr von einer Massenabfertigung, als von einem innigen Lehrer-Schüler-Verhältnis. Auch in Gruppenkursen kann der Yogalehrer nicht wirklich auf den einzelnen Yogi eingehen. Personal Training ist hier eher die Lösung. Hier wird genau die Lehrer-Schüler Verbindung geschaffen, die dafür sorgt, dass der Lehrer einschätzen kann, was dem Schüler heute besonders gut helfen kann.

Je mehr der Lehrer weiß, desto besser!

Um dem Schüler aber wirklich helfen zu können, ist es von ganz großer Wichtigkeit, als Lehrer viel Wissen über die körperlichen und geistigen Zusammenhänge zu haben. Je genauer wir über die Physiologie, die Anatomie und die Psyche und deren Wechselwirkung wissen, umso besser können wir helfen!
Deswegen sind auch Fortbildungen so immens wichtig. Hier gibt es zum einen den fachlichen Input, zum anderen aber auch den Austausch mit anderen Yogis. Mir hilft beides immer wieder aufs Neue extrem weiter.
Genauso wichtig ist für mich die Selbstpraxis. Wenn man selber übt, hat man ein ganz anderes Körpergefühl und kann sich auch viel besser in andere Hineinversetzten. …Und so ganz nebenbei hält man sich damit selber auch gesund!

Helfen heißt die Menschen zu mehr Balance zu bringen!

Wollen wir anderen durch Yoga helfen, müssen wir im ersten Schritt schauen wo Körper und/oder Geist aus seinem Gleichgewicht gebracht wurde. Haben wir das erkannt, können wir uns auf die Suche nach Lösungen machen. Woher kommen die Schmerzen im unteren Rücken? Arbeitet die Beinrückseite des linken Beines nicht richtig? Ist das Fußgewölbe richtig aktiviert? Liegen Stressoren vor, die die Muskulatur aufgrund von psychischer Anspannung verspannen lassen?
Machen wir uns als Yogalehrer so auf die Suche nach den Ursachen, so kommen wir sehr schnell in die Tiefe – ans „Eingemachte“. Das sind oft Dinge, die wir uns selber nur schwer eingestehen wollen, geschweige denn vor einer Gruppe kundtun wollen.

Keine Pauschalisierungen!

Umgekehrt ist es aber genauso so kompliziert: Drei Menschen mit Rückenproblemen können auf ganz unterschiedliche Dinge ansprechen. Beim ersten helfen Atemübungen, der zweite benötigt eher die Beseitigung von muskulären Dysbalancen zwischen linkem und rechtem Rückenstrecker und beim dritten helfen Mobilisations- und Kräftigungsübungen für das Quergewölbe des Fußes.
Pauschalisierungen sind -wie man an den Beispielen schnell erkennt- einfach nicht möglich. Es sind bei verschiedensten Menschen selten dieselben Ursachen, die der Auslöser sind.
Was aber sehr wohl möglich ist, ist sich als Yogalehrer Wissen anzueignen, um dann durch gezielte Fragen, eine genaue Beobachtung und ein wenig Intuition eine Idee davon zu bekommen, was genau helfen kann.

Unbeschriebenes Blatt

Ich finde dabei das Bild von einem unbeschriebenen Blatt besonders schön. Arbeite ich im yogatherapeutischen Bereich, so versuche ich jedes Mal aufs Neue meinem Gegenüber als ein unbeschriebenes Blatt zu begegnen. Folgende Punkte beachte ich dabei:

  • Ich bilde mir keine Vorurteile, sondern beobachte was da ist.
  • Ich trage keine Konzepte, keine Vorstellungen in mir.
  • Im Gegenteil: Ich versuche meinem Gegenüber jedes Mal aufs Neue ganz offen zu begegnen.
  • Ich beobachte genau, welcher Körper und welche Psyche mir heute begegnet.

Denn wir sind heute nicht mehr die Selben wie gestern! Wir haben uns verändert, neue Bewegungen haben zu einer Veränderung unseres Körpers geführt. Neue Gedanken haben unsere Denkmuster geändert und unseren Geist verändert. Stress und Ärger aber auch natürlich auch Freude und Glück verändern uns. Deswegen ist es so wichtig jeden Tag aufs Neue wieder neugierig zu ein, seinem Gegenüber ganz offen -eben als ein unbeschriebenes Blatt- gegenüber zu treten und einfach zu beobachten was heute da ist.
So schafft man nicht nur eine tiefe Verbindung, sondern findet auch stets aufs Neue wieder heraus, was dem Gegenüber HEUTE besonders gut tut!

Oft geht es mir so, dass ich mich auf ein Personal Training vorbereite und dann schon bei der Begrüßung merke, dass ich mein Konzept ganz schnell in den gedanklichen Mülleimer schmeißen kann! Es würde heute so überhaupt nicht passen! Da es mein Ziel ist, dass mein Gegenüber mit dem bestmöglichen Ergebnis nach Hause geht, wäre es geradezu unseriös an diesem Konzept festzuhalten.
Um so wichtiger ist es also in der yogatherapeutischen Arbeit möglichst viel Wissen direkt abrufen zu können, um sich dann durch „das was heute da ist“ inspirieren zu lassen!

Nervenkitzel und Inspiration

Das macht aber für mich auch die Faszination an der Tätigkeit aus. Es ist immer wieder aufs Neue ein wenig Nervenkitzel dabei, aber auch Inspiration pur.
Kann ich heute helfen? Finde ich heute den passenden Mix aus Asanapraxis, Meditation und Pranayama heraus? Haben die Augen meines Gegenübers am Ende der Einheit dieses Funkeln? Spüre ich die Ruhe und den Frieden bei meinem Gegenüber (und in mir)?
Sehe ich das Glänzen in den Augen, ist das für mich einfach ein ganz großartiges Gefühl, das mich tief in inneren berührt und glücklich macht!