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Ich wurde einmal gefragt, welche Rolle der Aspekt Satya – die Ehrlichkeit – als eines der zentralen Themen der Yamas, für mich spielt.

Yama beschreibt als eines der Acht Stufen oder Glieder des Yoga, den ethischen Umgang mit anderen und bietet sozusagen eine Richtschnur, wie man durch das Leben verschiedener Aspekte wie Ahimsa – Gewaltlosigkeit, Satya – Ehrlichkeit und noch weiteren wichtigen Aspekten, sein Leben in Frieden und Freude mit seinen Mitmenschen, aber auch anderen Lebewesen teilen kann.

Die größte Herausforderung jedoch bietet für mich der Aspekt Satya, denn was ist schwieriger als die Ehrlichkeit mit sich selbst und damit auch anderen gegenüber? Hier geht es weniger darum, einfach plump jemanden bewusst anzulügen, sondern sich selbst einzugestehen, worin man in erster Linie sich selbst belügt und dann im Nachgang dadurch eventuell auch andere.

Wir Menschen finden gerne Wege etwas vor uns selbst zu rechtfertigen und auch meist die richtigen Argumente, die unser Denken und Handeln erklären. Aber wenn wir ehrlich sind zu uns, wissen wir genau, dass wir nicht ehrlich sind.

So ist in erster Linie erst einmal die Ehrlichkeit mit sich selbst die Basis, um auch mit anderen ehrlich umgehen zu können.

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Satya – Ehrlichkeit mit sich selbst

Wenn ich die Wahrheit sagen möchte

Hier werde ich oft gefragt, was passiert, wenn ich dann die Wahrheit sagen möchte, andere jedoch mit meiner Ehrlichkeit verletzte? Da Ahimsa – die Gewaltlosigkeit – auch einen wichtigen Aspekt der Yamas darstellt, ist hier die große Frage, wie ich beide Aspekte im Einklang miteinander in mein Leben integrieren kann.

Dazu gehört nicht nur die Frage, wer hier ehrlich ist oder wer nicht, sondern auch die Erkenntnis, dass die Wahrheit im Auge des Betrachters liegt… zumindest solange wir nicht erleuchtet sind und die universelle Wahrheit erkennen können. Solange unterliegt unsere Wahrnehmung der Täuschung (Maya) und ist immer unsere ganz eigene Meinung. Dennoch versuchen die Menschen oft, ihre Vorstellung gerne als allgemeingültige Wahrheit zu verbreiten und sind davon überzeugt, dass nur ihre Meinung richtig ist.

Jeder kennt sicher die Situation, dass sich 2 Menschen streiten. Jeder beharrt auf seiner Meinung. Welche Meinung ist nun richtig und die Wahrheit? Welcher Blickwinkel auf die Dinge sagt uns, was stimmt und was nicht? Während der eine sein Denken und Handeln als in Ordnung ansieht und seine Meinung kundtut, empfindet der andere das vielleicht als mehr als schlimm und fühlt sich verletzt.

Doch wer hat nun recht? Durch das Nachdenken über diese Frage kann man zu  Erkenntnissen gelangen, die jenseits von recht und unrecht liegt – und vielleicht sogar viel wichtiger für die eigene Entwicklung sind.

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Ehrlichkeit ist manchmal schwer

5 Schritte zur (Selbst-)Erkenntnis:

1. Satya bedeutet, sich dafür zu öffnen, dass es verschiedene Blickwinkel gibt und jeder Mensch das „Recht“ hat, von seinem Blickwinkel aus auf Situationen zu blicken.

Satya bedeutet nicht, dem anderen seine Meinung mitzuteilen. Jemanden z.B. zu sagen, „Du bist aber fett“ wäre hier vielleicht zwar von einer Sichtweise aus betrachtet ehrlich, aber für den Menschen, dem die Aussage gilt, wäre es unter Umständen sehr verletzend. Zudem hätten die Menschen hier vor 100 Jahren mit einem anderen Schönheitsideal vor Augen wahrscheinlich „Du bist aber wunderschön“ gesagt. Welche Sichtweise ist nun ehrlich? Die heutige? Die damalige? Und möglicherweise gibt es auch heute noch viele Menschen, die noch immer „Du bist wunderschön“ sagen würden, einfach, da jeder Mensch eine andere Vorstellung von „Schönheit“ oder „fett sein“ hat. Es ist also wichtig immer davon auszugehen, dass jeder Mensch eine ganz eigene Wahrnehmung hat und das Selbstbild wie auch das Bild von anderen nur im eigenen Kopf existiert.

2. Satya bedeutet, wertfrei hinzuhören und nicht zu urteilen.

Das bedeutet, dass es wichtig ist, wertfrei hinzuhören, auch wenn die Meinung des anderen einem die „Nackenhaare“ zu Berge stehen lässt. Ein schönes Beispiel ist für mich das „Schlachten“ von Tieren. Während mir allein die Vorstellung bereits Übelkeit hervorruft, erzählt mir eine Freundin meiner Tochter mit acht Jahren beim Mittagessen, dass sie zu Hause ihre Hühner dann auch ab und zu schlachten müssen, wenn es denn zu viele werden. Die Tiere würden ihr zwar leid tun, aber das müsste leider sein. Hier könnte ich durchaus ehrlich dem Kind meine Meinung über das Schlachten von Tieren mitteilen. Ich könnte sagen, dass ich nur ehrlich bin, auf der anderen Seite aber würde ich urteilen über die Handlung und selbst gedankliche Gewalt ausüben. Das würde dem Aspekt Ahimsa deutlich wiedersprechen. Mein Weg ist hier mir bewusst zu machen, dass die Menschen eine andere Einstellung haben und einen anderen Blickwinkel. Und mein Blickwinkel ist eben ein anderer. Deshalb einen Krieg zu führen ist wahrlich wenig zielführend.

3. Satya bedeutet, einen ehrlichen Weg der Kommunikation zu finden.

Der beste Weg ist, davon zu sprechen, wie man sich fühlt und nicht, was der andere „schlimmes“ getan hat. Ich kann also ehrlich sein, indem ich sage, wie ich mich fühle, wenn Tiere getötet werden. Das verurteilt nicht die Eltern und auch nicht die Menschen, die Tiere essen. Von den anderen weg über die eigenen Gefühle zu sprechen, ist meiner Meinung nach eines der schwierigsten Aspekte der Ehrlichkeit, denn dafür muss man sein Innerstes nach außen bringen und sich selbst reflektieren.

4. Satya bedeutet, ehrlich mit sich selbst zu sein.

Nun, wie fühlst Du Dich und warum? Und kannst Du Deine Gefühle ausdrücken ohne einen anderen Menschen darin einzubeziehen? Die meisten Menschen machen Ihr Glück oder Unglück von äußeren Faktoren abhängig.  Aber das Außen bringt Dir weder Glück noch Unglück, sondern das, was Du daraus machst. Stelle Dir folgende Situation vor:

Du wirst arbeitslos und beziehst Arbeitslosengeld. Nun gibt es 2 Wege die Dinge zu betrachten.

  1. Mein Ex-Chef war ein Idiot, ungerecht, selbstgerecht und egoistisch, ich bin zu unrecht gekündigt worden und so weiter.
  2. Dumm gelaufen, über die Art und Weise kann man sich streiten, jetzt aber habe ich die Chance etwas Neues anzufangen und vielleicht das zu tun, was ich schon immer machen wollte. Ich habe hier die Chance, ein neues Leben in einem schönen Arbeitsumfeld mit netten Menschen zu beginnen. Gut, dass mir gekündigt wurde, sonst wäre ich da nie weg gekommen.

Wichtig ist also, was wir daraus machen, die Einstellung zu den Situationen und Dingen. Dafür müssen wir jedoch ehrlich mit uns sein und unsere Einstellung ehrlich reflektieren. Nur dann können wir sie ändern.

5. Habe Geduld mit Dir und anderen

In erster Linie sind wir menschliche Wesen mit Gefühlen, Gedanken, Erinnerungen und Erfahrungen und auch hier ist jeder von uns Einzigartig. Jeder Mensch reagiert anders, mal mehr mal weniger traurig, mal mehr mal weniger emotional oder auch mehr oder weniger rational. Hab also Geduld, Mitgefühl und Verständnis für die Menschen, die mehr Zeit brauchen, Dinge umzusetzen oder zu verstehen, als Du. Und auch Du selbst habe Liebe, Mitgefühl und Geduld mit Dir selbst. Auch Du bist „nur“ ein Mensch ☺

Möchtest du mehr zum Thema „Ehrlichkeit im Alltag“ erfahren? Dann schau dir doch das Interview mit mir im Blog von Doris Iding und Katja Kaiser an.

Namaste,

Romana