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Tag 1 nach dem dreitägigen Anusara-Ausrichtungsworkshop mit Vilas Turske im UNIT Yoga.

Um 5.20 Uhr bin ich nach tiefem Schlaf hellwach. Yoga, Meditation, Dusche, Frühstück – und ab geht’s ins Büro.

Dort sitze ich den ganzen Tag, fühle mich voller Energie und spüre einen unbändigen Bewegungs- und Schaffensdrang in mir. Zufall? Oder die Nachwirkungen des Anusara-Wochenendes?

Rational lassen sich die Wirkungen der Anusara Yogapraxis nicht greifen. Aber ich fühle sie und genieße diesen Energiefluss in mir. Ich nutze ihn, um die drei Tage in einer wunderbaren kleinen Gruppe Revue passieren zu lassen.

Meine Fragen und der Versuch, Antworten zu finden

Erinnerst Du Dich an die drei Fragen, die ich mir im Vorfeld des Workshops auf dem UNIT-Blog gestellt habe? Du kannst den Artikel hier nachlesen.

Anusara-Ausrichtungsprinzipien für Vinyasa-Klassen?

„Was muss ich tun, dass die Energie vom kleinen Zeh bis zur Schädelkrone fließt, sodass meine Augen danach leuchten?“

Vilas Turske

Vilas Turske

Das ist Vilas Ausgangsfrage in der Anusarapraxis.

Hinter dem 2. A, der Ausrichtung (1. A = Absicht, 3. A = Aktion), verbergen sich 5 Hauptprinzipien. Ich möchte an dieser Stelle nicht im Einzelnen auf sie eingehen, denn zu ihnen gibt es bereits umfassende Erläuterungen. Stattdessen möchte ich auf ein paar Schwerpunkte eingehen, die mich beschäftigen.

Beim ersten der fünf Hauptprinzipien geht es darum, eine Basis zu schaffen und sich zu öffnen – Stabilität schaffen und Freiheit finden. Dieses Prinzip kommt dem „sthirasukhamāsanam“ nahe, Stabilität und Leichtigkeit – die beiden Qualitäten, die das Yoga Sutra (2.46) den Asanas zuschreibt. Es ist ein Gefühl, das dem Inneren entspringt und nach außen strahlt.

Manchmal widme ich eine ganze Klasse dieser Idee von Stabilität und Leichtigkeit, weil ich das Gefühl so essenziell und wohltuend finde. Außerdem lässt sich der Ansatz wunderbar in unseren Alltag übertragen: Er erdet uns, schenkt uns Vertrauen in unsere Fähigkeiten, sorgt für unsere Aufrichtung und legt die Basis für Wachstum.

Herzqualität manifestieren

Die Basis einer jeden Asana reflektiert das 1. A, die Absicht. Sie misst der Yogapraxis eine sinnhafte Bedeutung zu. Wir nehmen Verbindung mit unserem Herzen auf und lauschen nach innen, bevor wir in die äußere Aktivität übergehen. Das erinnert mich stark an „Sankalpa“, die Intention, die wir uns vor unserer Yogapraxis setzen können. Die eigene Praxis erhält dadurch eine andere Qualität, führt uns in eine von uns bestimmte Richtung und unterstützt die Reflektion.

Die Energie zum Fließen bringen

Im Anusara Yoga® dienen die Ansagen dazu, die Energie zum Fließen zu bringen. Somit findet die Ausrichtung nicht über die äußere Form nach innen statt, sondern genau andersherum: Wir richten uns von innen nach außen aus und wachsen von unserer Basis getragen über uns hinaus. Das Bild finde ich so schön und es funktioniert!

512x320_zuhoeren_YLADie Energie wird in einer Asana immer zu einem Fokuspunkt (Becken, Herz oder Gaumen – je nachdem, wo das meiste Gewicht liegt und welcher Punkt am nächsten zum Boden ist) auf der Mittelachse gezogen. Das unterstützt einerseits die Stabilität und sorgt dann – wenn die Energie von dort zu den Seiten und nach oben geschickt wird – für das wunderbare Gefühl von Freiheit, Öffnung und Entwicklung.

Es gibt Feinheiten in den Ansagen, die es wert sind, sie in die eigene Klasse zu integrieren – ohne sich ganz dem Anusara zu verschreiben. Ich erinnere mich bspw. gern an diese Kraft und angenehme Weite in der Rückseite im seitlichen Winkel. Die Ausrichtung fühlt sich zunächst befremdlich an, wenn man sie noch nicht kennt: Innenschenkel zueinander und nach hinten ziehen, dabei die Rückseite weiten. Das Steißbein erden und in das vordere Knie ziehen, um die Weite zu erhalten. Die Energie von beiden Füßen zum Becken ziehen und dann in die Streckung und Öffnung kommen.

Freudvolle Philosophie?

Anusara Yoga® verfolgt das Prinzip, dass alles da ist, was wir brauchen, um uns zu verändern und weiter zu entwickeln. Ein Falsch existiert nicht; Anusara geht vom Guten aus. Wir schaffen eine feste Basis und damit Stabilität, Erdung, Vertrauen. Unser Herz führt dann die Ausrichtung von innen nach außen an und die Energie – freigesetzt durch hilfreiche Ausrichtungsprinzipien – hilft uns, über uns herauswachsen. Entwicklung tritt ein, wenn wir annehmen und aufhören, gegen Widerstände zu kämpfen.

Das 1. A ist dem Bhakti-Yoga zugeordnet, dem Yoga der Hingabe. Hingabe und Energiefluss schaffen Raum für Veränderung und freudige Gefühle.

Identifikation?

Ich mag den positiven Ansatz, der diesem Stil zugrunde liegt. Das ist der Gleiche, den ich in meinem Leben verfolge: erst einmal davon ausgehen, dass es gut ist und wird. Wenn es dann doch nicht gut ist, kann ich mir immer noch überlegen, ob und in welcher Form ich darauf reagiere. Auch wenn da zugegebenermaßen gern mal festgefahrene Reaktionsmuster im Spiel sind … Aber auch diese kann Yoga sanft auflösen helfen.

Übertragen auf die Yogapraxis bedeutet das für mich, dass wir fast alles (er-)schaffen können, wenn wir Vertrauen haben, uns von unserer Energie tragen und von unserem Herzen führen lassen.

Fazit

Demo VilasDie Vorstellung, dass wir im Yoga kreative Erschaffer sind, finde ich umwerfend! Kreativität und Gestaltung bestimmen die Art, wie jede/r von uns ihre/seine Stunden hält. Der Ausdruck in Sprache, Gestik oder auch die Flows im Vinyasa Yoga – all das eröffnet uns kreative Spielräume. Das wiederum bringt Freude an der Sache und schafft das Fundament, etwas Gutes weiterzugeben und uns selbst sowohl als Lehrer als auch als Schüler weiterzuentwickeln.

Dazu trägt sicherlich jeder Yogastil das Seine bei. Die Vielfalt der Stile spiegelt die Vielfalt der Individuen in unserer Gesellschaft wider. Jeder kann etwas Passendes für sich finden und die Möglichkeiten nutzen, um sich zu verändern, zu entwickeln, sein Leben zu gestalten und zu genießen.

Dieses Lebensgefühl strahlen wir aus und tragen es nach außen. Und wie wir alle schon erfahren haben: Positiv gestimmte und in sich ruhende Menschen können ansteckend sein!

 „Yoga ist eine Praxis der Veränderung.“

Stefanie ist ebenfalls in die Welt des Anusara eingetaucht und hat auf ihrem Blog yogastern ihre Erfahrungen des Anusara-Ausrichtungsworkshops beschrieben.

Bildquelle: lebensflow.de