Lesedauer 10 Minuten

Kannst Du Dir vorstellen wie sich die Bestrahlung eines Krebstumors auf Dein Energieniveau auswirkt? Was ist mit dem kürzlichen Tod einer Dir nahestehenden Person? Kannst Du Dir die Einschränkungen und das Unwohlsein vorstellen, die eine Verstopfung oder ein Bandscheibenvorfall hervorrufen? Was ist mit Nackenproblemen oder Problemen mit der hinteren Oberschenkelmuskulatur, einer OP, die nicht lang her ist, Tabakentzug, schlechten Augen oder Höreinschränkungen, Drogenabhängigkeit, Kater, Arthritis, Lupus, verstauchtem Finger, Handgelenk, Knöchel oder Zeh? Was ist mit PMS, Menstruation, Wechseljahren oder dem ersten Trimester einer Schwangerschaft? Was ist mit Hämorriden, Gicht oder Schlaflosigkeit? Die oben genannten Zustände sind nur ein winzig kleiner Auszug an Problemen und Zuständen, mit denen die Menschen um uns herum zu tun haben könnten und wahrscheinlich haben, die wir nicht sehen können, wenn wir sie ansehen. Fakt ist also, dass wir alle das Ergebnis einer komplett einzigartigen Geschichte sind, die uns auf einzigartige Weise beeinflusst hat.

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In anderen Worten, all unsere Erfahrungen sind unterschiedlich, genauso wie unsere Bedürfnisse. Dies zu verstehen unterstreicht wie absurd es ist, sich zu vergleichen und miteinander zu konkurrieren. Ich kann mir wirklich nicht viele andere Arten vorstellen, uns selbst nicht zu respektieren, als uns mit anderen zu vergleichen und mit ihnen zu konkurrieren. Wo immer wir ein hohes Niveau an Konkurrenz finden, finden wir auch ein großes Ausmaß an Korruption, Stress, Krankheiten und Verletzungen. Wir leben in einer Zeit mit viel Konkurrenz. Wir haben Wörter erfunden, um uns über unsere Konkurrenz zu amüsieren, wie „Tretmühle“ und „mit den Müllers mithalten“. Das Ironische ist nur, dass die Müllers mit den Schmidts mithalten wollen und die Schmidts mit den Meyers und die Meyers mit den Schneiders und der Grund dafür ist, dass die Müllers unter der gleichen Krankheit leiden, dass sie nicht gut genug sind, so wie sie sind. Also versuchen sie immer besser zu sein, was in unserer Gesellschaft heißt, mehr zu besitzen, was aber nie zu funktionieren scheint, denn diese Dinge können uns nie dabei helfen, uns selbst zu lieben und uns genauso zu akzeptieren wie wir sind, was der einzige Weg zu sein scheint, dauerhaft zufrieden und glücklich zu sein.

Wie Muskeln die Bewegungsfreiheit einschränken

Ich habe zwei verschiedene Geschichten, die ich mit Euch teilen möchte, um den persönlichen Charakter einer Yogapraxis zu betonen. Die erste Geschichte handelt von einem hoch angesehenen Bodybuilder, der vor Jahren in einer meiner Klassen war. Der Kerl war kurz davor einen Bizeps zu haben, der größer als sein Kopf ist. Als die Klasse im Herabschauenden Hund war, fingen die Arme dieses Kerls stark an zu zittern. Er schien erstaunt darüber zu sein, dass er so schnell müde wurde und das Mädchen neben ihm die Pose einfach und bequem halten konnte. Er musste dann aus der Pose rauskommen, da seine Arme fast kollabierten. Als er auf seinen Knien saß und sich ausruhte, schaute er sich im Raum um und sah, dass jeder die Pose ohne Probleme halten konnte. Was dieser Bodybuilder nicht erkannte war, dass obwohl er sehr stark und wahrscheinlich stärker als der Rest der Klasse war, seine kurzen, harten und überentwickelten Muskeln ihn in seiner Bewegungsfreiheit einschränkten und er mehr Energie aufwenden musste, um seine Gelenke zu strecken, was dazu führte, dass er schneller ermüdete.

Wozu Vergleiche in der Yogapraxis führen:

Die andere Geschichte handelt von einer überbeweglichen jungen Frau, die regelmäßig in meine Klassen kam. Sie war immer sehr stolz darauf, die beweglichste in der Klasse zu sein. Diesen Titel der Beweglichsten kann man bekommen, wenn man sich mit anderen vergleicht. Ihr fehlte also das tiefere Verständnis für Yoga. Eines Tages machten wir in der Stunde eine sitzende Vorbeuge. Als dieses Mädchen sich im Raum umsah, merkte sie, dass das Mädchen neben ihr tiefer in die Pose gehen konnte als sie selbst. Obwohl sie ohne Probleme mit ihrem Kopf die Beine in dieser Übung berühren konnte, lag die Stirn des anderen Mädchens auf deren großen Zehen. Das sah viel tiefer aus. An diesem Punkt fing das flexible Mädchen verzweifelt an, ihren Kopf zu den Füßen zu bekommen, was sie nicht konnte und man konnte den Frust in ihrem Gesicht sehen. Was ihr konkurrierender und abgelenkter Verstand nicht realisierte, war, dass sie wahrscheinlich beweglicher war als das Mädchen neben ihr, das tiefer in der Pose zu sein schien. Es ist nur so, dass das Mädchen neben ihr kurze Beine und einen langen Oberkörper hatte, was es für sie einfacher machte, ihre Füße zu berühren. Sie wiederum hatte lange Beine und einen kurzen Oberkörper; sie würde es nie können (ohne ernsthafte Verletzungen), auch wenn sie die Beweglichere der beiden war.

Die Moral dieser Geschichten ist es zu zeigen, dass die Form des Körpers eine große Auswirkung darauf hat, wie wir in den Posen aussehen und keine zwei Personen (auch keine Zwillinge) haben die gleiche Form, ganz abgesehen von der Ernährung, Emotionen, der genetischen Abstammung, Verletzungen usw. Wenn man das versteht man, kann man nachvollziehen wie absurd es ist, sich zu vergleichen und zu konkurrieren. Es ist sehr irrational, wenn es um die Vermeidung von Verletzungen und das Entstehen von Wohlbefinden geht.

Ohne Konkurrenzdenken und Vergleichen:

Vergleichen und konkurrieren muss nicht nur um andere gehen. Wir können uns auch mit einem Bild oder einem Ideal in unserem Kopf vergleichen und damit konkurrieren. Vielleicht vergleichen wir uns mit zurückliegenden Erfolgen oder Zielen, die in der Zukunft liegen. Vielleicht leben wir nach einem Programm, das uns von der Familie, Freunden, der Gesellschaft, Trainern, Lehrern und den Medien eingepflanzt wurde. Immer wird uns erzählt wie wir aussehen sollen, wie wir uns verhalten sollen und was wir erreichen sollen. All das ist eine Bewahrung der großen Krankheit der Dysbalance, einer großen Leere, die wir ausweiten und versuchen mit unseren Erfolgen zu füllen- auf Kosten unserer Gesundheit, Beziehungen und Umwelt. Wenn wir unsere Ideale und Ziele erreichen, sind wir sicherlich zufrieden, aber es dauert nicht lang bis wir etwas anderes wollen und der Kreislauf beginnt von vorn. Wenn wir unser Ziel oder das Ziel unseres Programms nicht erreichen, entwickelt sich neuer Stress,  Ärger,  Depression, Verzweiflung etc.

Konkurriere nicht mit dir selbst:

Meiner Erfahrung nach sind wir alle einzigartig und die Umstände unseres Seins führen uns in die Richtung unsere besonderen Eigenschaften zu finden, die uns dazu befähigen auf unsere spezielle Art einen positiven Beitrag zur Menschheit zu leisten. Diese Umstände führen auch zu den Erfahrungen, die nötig sind, um zu wachsen und uns zu entwickeln. Sich mit anderen oder einem inneren Programm  zu vergleichen und zu konkurrieren, was im Grunde das Gleiche ist, kann eine große Ablenkung vom natürlichen Prozess sein, den unser Sein erreichen möchte und den Erfahrungen, die wir brauchen, um zu wachsen, anstatt etwas zu sein von dem uns erzählt wurde, das wir erreichen müssen.

Es gibt wenig Dinge bei denen wir mehr konkurrieren als bei unser Fitness und körperlichen Kraft. Diese schädlichen Eigenschaften tauchen dann natürlich auch in der Yogapraxis auf, egal ob wir mit den anderen im Raum konkurrieren oder mit uns selbst. Sei also sehr achtsam. Pass auf, nicht in diese alten Muster zu verfallen. Wenn wir uns dabei ertappen, in die Muster zu verfallen, dann lächle.

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Holger, Bryan und Romana im UNIT Wiesbaden

Das Lächeln ist so wichtig, weil wir uns selbst erwischt haben. Es ist der wichtigste Schritt. Dann hör auf die Gewohnheit zu nähren, in dem Du Deine Aufmerksamkeit zurück zur Atmung bringst und zu Deiner Intention zu heilen, in dem Du Dich selbst sanft und mit Liebe und Fürsorge behandelst, weswegen wir diese schöne physische Praxis machen. Sei auf der Hut, die konkurrierenden Eigenschaften nicht zu fördern, die sich in Ärger, Frust oder Enttäuschung äußern, und die durch einen Vergleich mit dem neuen Ideal von weniger Konkurrenz entstehen können. Jetzt weißt Du, dass vergleichen und konkurrieren schädlich sind, sodass sich unsere Abhängigkeit von vergleichen und konkurrieren in dem Ziel nicht zu vergleichen und zu konkurrieren manifestieren kann. Sei vorsichtig, nicht in diese Falle zu tappen. Wenn Du wirklich weniger vergleichen und konkurrieren möchtest, dann musst Du aufhören mit Dir selbst zu konkurrieren, um dieses Ziel des nicht vergleichen und konkurrieren zu erreichen.

Ich war immer der Meinung, dass der einzige Weg um Deine Entwicklung im Yoga zu beurteilen darin liegt, wie wenig Du den Prozess beurteilst oder vielleicht nichts beurteilst.

Willkommen zum Power Yoga.

Namasté,
Bryan

 

„Unser Lehrer Bryan Kest inspiriert uns mit seinen Ansichten zur Yoga-Philosophie. Daher freuen wir uns, dass er uns sein Vertrauen schenkt und wir seine Texte übersetzen und auf unserem Blog veröffentlichen dürfen.“
Romana & Holger Zapf