Dass die Atmung eng mit der Psyche verbunden ist, wissen die Yogi*nis schon seit vielen tausend Jahren. Kein Wunder, dass Pranayama für viele zur Yogapraxis dazugehört. Doch auch im Alltag können uns Atemübungen dabei helfen, zur Ruhe zu kommen und Stress hinter uns zu lassen. Wir zeigen dir 3 einfache Übungen für Zwischendurch.
Einmal tief durchatmen…
Im Yoga spielt die Atmung eine zentrale Rolle. Das Zusammenspiel von Atmung und Psyche wird als „Pranayama“ bezeichnet. Übersetzt heißt das so viel wie „die Kontrolle über den Atem“. Denn indem wir unseren Atem kontrollieren, lenken wir auch unsere Lebensenergie Prana. Damit finden wir zurück zu geistiger Klarheit, Vitalität und Wohlbefinden.
Auch durch die westliche Brille betrachtet sind Atemübungen nützlich. Denn indem wir unsere Atmung vertiefen und verlangsamen, wird das parasympathische Nervensystem aktiviert. Das bringt uns in einen Zustand von Ruhe und Entspannung. Das kann dazu beitragen, dass unser Cortisolspiegel im Körper sinkt. Cortisol ist ein Stresshormon, das unseren Körper in den Kampf- oder Fluchtmodus versetzt. In Extremsituationen eigentlich eine gute Sache. Leider verbleiben viele von uns dauerhaft in diesem Stresszustand, ohne dass wir wirklich in Gefahr sind.
Anuloma Viloma – die Wechselatmung
Die Wechselatmung wird oft zu Beginn oder zum Ende einer Yogaeinheit praktiziert. Doch nicht nur auf der Yogamatte hilft sie dabei, den Geist zur Ruhe zu bringen und uns zu konzentrieren. Denn auch im Alltag können uns ein paar Runden Wechselatmung dabei helfen, Stress abzubauen und fokussierter durch den Tag zu gehen.
Energetisch gesehen hilft uns die Wechselatmung dabei, unsere Hauptenergiekanäle, Ida Nadi (links) und Pingala Nadi (rechts) zu reinigen und zu harmonisieren. Ida wird mit dem parasympathischen Nervensystem assoziiert – also für Ruhe und Entspannung. Pingala hingegen steht für das sympathische Nervensystem, das für die Aktivierung von Stressreaktionen verantwortlich ist. Dank Anuloma Viloma können wir diese beiden Systeme wieder ins Gleichgewicht bringen.
So funktioniert die Wechselatmung
- Setze dich aufrecht und möglichst bequem auf den Boden oder einen Stuhl. Schließe die Augen, wenn du möchtest. Fokussiere dich auf deine Atmung, lasse die Schultern locker nach unten sinken und atme in deinen weichen Bauch. Entspanne auch deine Gesichtszüge.
- Lege deine linke Hand locker auf dem Oberschenkel ab oder forme das Chinmudra. Dafür formst du mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Die rechte Hand wird zu deinem „Werkzeug“. Lege dafür den Zeige- und Mittelfinger auf den Punkt, wo sich deine Augenbrauen treffen würden. Den rechten Daumen hältst du am rechten Nasenloch, den Ringfinger und den kleinen Finger am linken Nasenloch.
- Atme tief aus. Mit dem nächsten Einatmen verschließt du das rechte Nasenloch mit deinem Daumen. Atme langsam und gleichmäßig ein.
- Schließe nun beide Nasenlöcher und halte kurz die Luft an. Wenn du möchtest, kannst du dich dabei auf deinen Punkt zwischen den Augenbrauen konzentrieren.
- Öffne nun das rechte Nasenloch und atme aus.
- Atme rechts wieder ein, verschließe beide Nasenlöcher und atme links wieder aus.
- Fahre so in deinem Atemrhythmus fort. Achte darauf, dass deine Atmung gleichmäßig und bewusst bleibt. Du kannst auch versuchen, die Ein- und Ausatmung gleichlang zu gestalten, indem du in deinem Geist mitzählst.
Alternativ kannst du deine rechte Hand ins Vishnu Mudra nehmen. Dafür klemmst du Zeige- und Ringfinger in der rechten Daumenwurzel ein. So entsteht eine Art „Zange“ mit der du abwechselnd die Nasenlöcher verschließen und öffnen kannst. Wie genau das geht, zeigt dir Holger in diesem Video.
Brahmari – die Bienenatmung
Auch die Bienenatmung beruhigt dein Nervensystem. Denn das konzentrierte Brummen in Kombination mit langsamer und bewusster Atmung harmonisiert deinen Energiefluss. Das hilft deinem Körper dabei, aus dem Kampf- oder Fluchtmodus auszutreten und zu Entspannung zurückzufinden.
So funktioniert die Bienenatmung
- Setze dich mit aufgerichteter Wirbelsäule auf den Boden oder einen Stuhl.
- Bringe die Hände zu deinen Ohren und verschließe sie sanft.
- Atme tief ein. Mit dem Ausatmen lässt du in deiner Kehle ein Summen entstehen. Konzentriere dich ganz auf das Geräusch, das dabei entsteht und dich gefühlt immer mehr ausfüllt. Vielleicht erinnert es dich an das Summen einer Biene. Achte darauf, dass du tief und gleichmäßig ausatmest.
- Atme nun wieder ein und erneut summend aus. Das kannst du für einige Atemzyklen wiederholen. Sollten deine Arme mit der Zeit schwer werden, kannst du sie auch einfach auf deinen Oberschenkeln ablegen und ohne das Verschließen deiner Ohren fortfahren.
Ujjayi-Atmung
Charakteristisch für die Ujjayi-Atmung ist das rauschende Geräusch, das beim Ein- und Ausatmen entsteht. Durch das Verengen der Stimmritzen können wir den Luftstrom besser kontrollieren und den Atem vertiefen. Bereits nach wenigen Minuten Ujjayi-Atmung merkst du vielleicht, wie du tiefer atmen kannst. Das kann gerade in stressigen Situationen eine großartige Hilfe sein, da wir gerade in diesen Momenten dazu neigen, flach und unbewusst zu atmen. Auch eine tolle Wirkung – mit der Ujjayi-Atmung schaffen wir es, unsere Emotionen zu regulieren, indem wir zur Ruhe kommen und lernen, uns von ihnen zu distanzieren.
So funktioniert die Ujjayi-Atmung
- Beginne mit einer aufrechten und möglichst entspannten Sitzhaltung. Alternativ kannst du die Ujjayi-Atmung auch im Stehen praktizieren.
- Atme tief und bewusst ein. Mit dem Ausatmen ziehst du deine Stimmritzen zusammen. Du kannst dir vorstellen, dass du gegen eine Fensterscheibe hauchst, damit sie beschlägt – nur mit geschlossenem Mund. So erzeugst du einen leichten Widerstand für den Atemstrom, wodurch das charakteristische Rauschen entsteht. Am Anfang ist das vielleicht gar nicht so einfach und das Rauschen klingt eher nach einem Schnarchen. Das ist vollkommen in Ordnung. Mache dir keinen Druck, denn mit regelmäßiger Übung wird es immer besser funktionieren!
- Sobald du vollständig ausgeatmet hast, atme langsam und bewusst durch die Nase wieder ein.
- Beim Ausatmen ziehst du erneut die Stimmritzen zusammen und atmest vollständig aus. Wiederhole diesen Ablauf für ein paar Atemzyklen.
Wenn du damit vertraut bist und sich das gut für dich anfühlt, kannst du versuchen, auch beim Einatmen ein sanftes Rauschen zu erzeugen.
Das Tolle ist – die Ujjayi-Atmung lässt sich nicht nur während der Asana Praxis oder in der Meditation anwenden, sondern auch im Alltag. Keine Sorge, du brauchst nicht lautstark rauschend durch den Supermarkt zu laufen. Aber du kannst lernen, eine sanfte Ujjayi-Atmung ganz unauffällig und diskret in deinen Tag einzubinden. Zum Beispiel, wenn du das nächste Mal in der U-Bahn auf dem Weg zu einem wichtigen Termin bist. Oder wenn dich deine KollegInnen im Büro auf die Palme bringen. So bleibst du in deiner inneren Ruhe und lässt dich nicht von Hektik oder Emotionen überwältigen.
Fazit – Unser Atem als Werkzeug gegen Stress
Wie du siehst, gibt es eine Reihe an großartigen Atemübungen, die dir dabei helfen, Körper und Geist zur Ruhe zu bringen. Wichtig ist, dass du dich an jede Atemübung achtsam herantastest. Ehrgeiz und Zwang sind hier an der falschen Stelle.
Richtig eingesetzt, kann der Atem ein wertvolles Werkzeug sein, um Körper und Geist gesund zu halten. In unserer YogalehrerIn Fortbildung „Atemtherapie“ lernst du darüber hinaus, was die Atmung mit unserer Lebensenergie Prana zu tun hat und wie auch unsere Psyche dadurch beeinflusst wird. Du lernst nicht nur verschiedene Atemtechniken und Übungsreihen für den Alltag, sondern auch Wissenswertes über die Anatomie der Atmung.
Du kannst diese Ausbildung als Modul im Rahmen deiner Yogatherapie Ausbildung absolvieren oder separat buchen. Wir freuen uns auf dich!
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