Mysore ist eine Stadt in Indien. In diesem Artikel geht es jedoch nicht um Geographie, sondern mit Mysore wird auch eine bestimmte Art des Yoga-Übens beschrieben. Es ist ein Weg des Yoga Unterrichtens in der Ashtanga Yoga Tradition, wie ihn einer der einflussreichsten Yogis in dieser Tradition, Sri K. Pattabhi Jois in seinem Yoga Shala in Mysore gelehrt hat.
Worum geht es im Mysore Style
Im Mysore geht es darum, eigenständig Asthanga Yoga zu üben und dabei von einem Lehrer Hilfestellung sowie Tipps in den jeweiligen Übungen der Serien zu bekommen.
Hier gibt es einige Unterschiede in der Methode gegenüber der normalerweise in Yoga-Studios geführten Form des Yoga-Unterrichts. In einer regulären Yoga-Klasse wird man von einem Yogalehrer von Beginn an komplett durch die Yoga-Stunde geführt. Würde der Yogalehrer aufhören anzuleiten, würden auch die Schüler mit ihrer Praxis aufhören. Der Schüler verlässt lässt sich zu 100% auf die Anleitungen des Lehrers und folgt den Anweisungen des Lehrers durch die ganze Yoga-Stunde.
Im Mysore Style wird nicht im klassischen Sinne angeleitet. Da es im Asthanga Yoga feste Übungsabfolgen (Serien) gibt, weiß der Schüler in der Regel immer, welche Übungen nacheinander geübt werden. So beginnt auch jeder Schüler nach einem gemeinsamen Eröffnungs-Mantra (Ashtanga Yoga Mantra) eigenständig mit der Praxis. Die Reihenfolge hierbei ist wie folgt:
- 5x Sonnengruß A (Surya Namaskara A)
- 5x Sonnengruß B (Surya Namaskara B)
- Basis-Sequenz (Fundamental Positions) – Stehende Positionen
- Die Asanas, die der Schüler gelernt hat aus der Serie, in der sich der Schüler befindet
Der Lehrer gibt hier jedem Schüler individuelle Hilfestellungen, Tipps für Alignment und auch verbale Anweisungen.
Am Ende übt der Schüler seine Schluss-Sequenz (Finishing Sequenz). Bevor der Schüler sich in Shavasana legt, singt er für sich üblicherweise leise das Abschluss-Mantra (Mangala Mantra).
In welcher Serie fange ich an?
Es gibt 6 Serien im Ashtanga Yoga, die von Serie zu Serie immer komplexer werden und mehr Flexibilität und Körperkraft fordern. Die Serien bauen logisch aufeinander auf, sodass z. B. die Übungen der ersten Serie den Körper automatisch auf die nächste Serie vorbereiten. Der Lehrer entscheidet üblicherweise, bis zu welcher Übung der jeweiligen Serie der Schüler üben sollte. Aus der eigenen Erfahrung heraus kann er entscheiden, wie weit die Voraussetzungen durch Flexibilität, Körperkraft sowie Konzentration aber auch der Leichtigkeit, mit der sich der Schüler durch die Übungen bewegt, gegeben sind, um weiter in der Serie zu gehen oder in die nächste Serie zu kommen.
Die erste Serie (Primary Series), mit der wir beginnen, heißt Yoga Chikitsa – Yoga Therapie. Diese Serie enthält sehr viele Vorbeugen. Ganz abhängig von Alter, der Hingabe, täglicher Praxis und natürlich grundsätzlicher körperlicher Voraussetzungen kann das Meistern der ersten Serie bereits einige Jahre dauern. Aus diesem Grund sollte man sich keinen „Stress“ machen, sondern einfach nach seinen Möglichkeiten eine Asana nach der anderen üben.
Die zweite Serie (Intermediate Series) wird erst geübt, wenn wir die erste Serie beherrschen. Sie heißt Nadi Shodhana – Reinigung der Energiebahnen und enthält sehr viele Rückbeugen.
Nur wenige sehr fortgeschritte Yogis üben derzeit die dritte Serie (Advanced A Series) – genannt Sthira Bhaga – Erhabene Ruhe. Ebenso ist es mit der vierten Serie (Advanced B Series)
Die fünfte und sechste Serie (Advanced C & D Series) wird nur von einer handvoll Yogapraktizierenden weltweit geübt, dazu gehören z.B. Sharath, dem Enkel von Sri K. Pattabhi Jois, der das Yoga Shala von Pattabhi Jois nach dessen Tod weiter führt.
Was ist, wenn ich die Serie nicht kenne oder kann?
Die Serie zu kennen ist hilfreich, aber nicht notwendig. Für den Einstieg hilft Dir der Lehrer auch innerhalb der Mysore Style Praxis die Möglichkeit, Übung für Übung zu lernen. Hierbei übst Du zu Beginn erst einmal die Sonnengrüße. Wenn Du diese kannst, bekommst Du 2-4 neue Übungen und übst diese so lange, bis Du diese auswendig und auch körperlich umsetzen kannst. Dann bekommst Du wieder neue Übungen. Nach einer Weile, hast Du eine feste Sequenz, die für Dich passend ist und bleibst eine Weile in dieser Übungssequenz.
Der Lehrer erkennt dann an Deiner Praxis, wann Dein Körper sich angepasst hat und Du genug Flexibiliät und Kraft für die nächsten Übungen zur Verfügung hast und er Dir die nächsten Übungen zeigen kann.
Bitte habe auch keine Angst, wenn Du Dir vielleicht Fotos der ersten Serie im Internet anschaust. Als ich diese das erste Mal gesehen habe, dachte ich: „Das schaffe ich niemals.“ Es gibt jedoch für jede Übung schöne Modifikationen und Variationen für den Einstieg, damit Dein Körper sich nach und nach anpassen und die Übung lernen kann. Und wenn nicht, ist das nicht schlimm, denn es gibt kein „muss“, sondern immer nur ein „es kann.“
Warum dauert Mysore Style Praxis 2h?
Das Zeitfenster ist dafür da, dass ein Schüler 2 Stunden üben kann, wenn er möchte und dabei der Lehrer anwesend ist und für Hilfestellungen zur Verfügung steht. Jeder Schüler kann jedoch selbst entscheiden, wie lange er üben möchte. Die Praxis beginnt gemeinsam am Morgen – meist vor der Arbeit – und jeder Schüler bleibt in Bezug auf seine körperlichen Möglichkeiten, seinen Atemrhythmus und seinen zeitlichen Möglichkeiten so lange in der Praxis, wie er möchte.
Es gibt einige Kern-Übungen, bis zu denen man üblicherweise übt. Zu Beginn ist das üblicherweise Purvottanasana. Bis hier braucht man je nach Tempo und Länge der Schluss-Sequenz 45-60 Minuten. Wenn man weiter übt, dauert es entsprechend länger. Übt man dynamisch und kraftvoll, kann es schneller gehen.
Das Faszinierende am Mysore-Style ist, dass geübte Yogis mit Einsteigern ohne Schwierigkeiten zusammen üben, da jeder ganz eigenständig nach eigenen Möglichkeiten seine Übungen übt.
Was bringt mir die Mysore Praxis?
Du lernst dabei die Übungen des Ashtanga Yoga in einer festen Übungsreihe. So bist Du in der Lage zu jeder Zeit und an jedem Ort Yoga selbstständig zu üben. Ob Du eine Mysore Class in Indien oder anderswo auf der Welt besuchst, überall wird es so praktiziert. Ebenso kannst Du Deine Matte wo auch immer ausrollen und ohne Lehrer üben.
Du lernst durch die Verbindung der Bewegung (Vinyasa), der Atmung (Ujjayi) mit den Blickpunkten (Drishtis) eine sehr meditative Form des Yoga, die Dich sehr mit dem Atem verbindet. Die Übungen sind – wie an einer Perlenkette – aneinandergereiht und mit dem Atem verbunden. Du kannst Perle für Perle aufnehmen und dort anhalten, wo Du fühlst, dass es für Dich reicht.
Zudem kann der Lehrer sich innerhalb der Mysore Praxis viel individueller auf jeden einzelnen Schüler einstellen. Du wirst also wesentlich mehr individuelle Anleitung bekommen, als in einer geführten Yoga-Class.
Gibt es auch geführte Ashtanga Yoga Classen?
Ja, es gibt auch geführte Ashtanga Yoga Classen. Hier hast Du die Möglichkeit, die Übungsserie zu lernen. Da hier jedoch meist die Classen 1,5 h dauern, hast Du hier weniger die Möglichkeit einfach aufzuhören, wenn Du merkst, dass es reicht. Allerdings ist die Ergänzung durch eine Led Class sehr gut, da man hier oftmals auch an den Stellen weiter übt, wo man vielleicht sonst aufhören würde.
Tradition des Ashtanga Yoga
Ashtanga Yoga kommt aus Indien und hat eine sehr lange Tradition. Sri K. Pattabhi Jois hat den Yoga – wie er berichtet hat – genau so von seinem Lehrer gelernt und ist nach seinen Angaben eine Yogapraxis, die schon seit vielen hundert Jahren unverändert geübt wurde. Auf die Frage, seit wann so geübt wird, sagte er einmal: „seit 10.000 Jahren vor Christus“.
Da in Indien jedoch die Wichtigkeit einer Tradition daran bemessen wird, wie Alt etwas ist, ist diese Aussage natürlich sehr wichtig. Ob diese Zeitangabe so wörtlich genommen werden darf, wie wir es im Westen gerne tun, sei dahingestellt, eines auf jeden Fall ist sicher: Asthanga üben bedeutet ganz nahe am Ursprung des Yogas zu üben.
Wenn Du mehr über Ashtanga Yoga lesen möchtest, besuche hier einen weiteren Artikel zum Thema: Der Unterschied zwischen Ashtanga Yoga und Vinyasa Yoga
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