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Gerade in unruhigen Zeiten -wie sie im Moment da sind- kann uns die Meditation helfen, einen klareren Blick auf die Dinge zu bekommen. An dem Freitag, als in Paris die Terroranschläge verübt wurden, hatte ich gerade unsere UNIT Meditationsleiter Ausbildung gehalten.

Mir war schnell klar, dass ich am Samstag nicht ganz normal den Ablaufplan einhalten konnte. Denn schließlich kann man auch als Yogi nicht über solche Ereignisse hinweggehen. Denn das Leben passiert und Yoga zu praktizieren bedeutet eben nicht, die Geschehnisse zu ignorieren und in einer rosa Yogawolke zu leben!

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Foto: © die-photographin.de | Barbara Krekeler

Die Gefühlsbrille aufgesetzt:

Die Teilnehmer und ich haben gespürt, wie einen die Ereignisse wie in einem Gedankenstrudel mitreißen und die unterschiedlichsten Gefühle entstehen: Angst, Hass, Trauer, Ängstlichkeit, Erschrockenheit… es entstand ein richtiger „Gefühlscocktail“ und die Gedanken und Gefühle arbeiteten in uns.

Die Folge davon ist, dass wir die Wirklichkeit durch diese „Gefühlsbrille“ hindurch betrachten! Aus dieser Perspektive erklären wir auf einmal Handlungen und Reaktionen für „normal“, die wir 10 Sekunden vorher noch nicht einmal in uns vermutet hätten. Es entsteht eine Eigendynamik, die uns auf einmal alles aus einer anderen Perspektive sehen lässt und Handlungen logisch erscheinen lässt, die eben nur durch die Brille Sinn macht.

Im Großen wie im Kleinen:

Genau so geht es einem oft nicht nur in solchen extremen Momenten, sondern auch im Alltag. Es passieren Dinge, in denen man sich vor den Kopf gestoßen fühlt, ärgert sich über seinen Nachbarn oder Kollegen und auch hier steigen Gefühle in einem auf. Auf einmal rechtfertigt man augenscheinlich unethische Handlungen für sich, rechtfertigt Verunglimpfungen, Beschimpfungen oder Mobbing für sich.

Loslassen- Das Allheilmittel

Doch was ist die Lösung, aus diesem Kreislauf? Wie können wir die Gefühls-Brille absetzen? Das Zauberwort heißt: Loslassen. Loslassen klingt so einfach und ist doch eine so große Kunst. Aber erst dann, wenn wir loslassen, betrachten wir die Dinge aus der Distanz, ohne uns mit ihnen zu identifizieren. In der Yogaphilosophie spricht man von Neti-Neti: Ich bin nicht dies und ich bin nicht das. Ich bin nicht das Gefühl, ich bin nicht die Emotion.

Wenn uns das klar wird, setzen wir die Brille ab. Wir betrachten uns und die Dinge mit einem gewissen Abstand, also aus der Vogelperspektive und können eine ganz andere Sicht auf die Dinge nehmen. Wenn wir so unsere Gefühle betrachten, können wir auch aus der Distanz verschiedenen Handlungsalternativen abwägen. Wie sollte ich handeln? Welche Möglichkeit ist mir am dienlichsten? Welche Handlungsalternative entspricht meinen inneren Werten und Normen…

Loslassen in der Meditation

In der Kunst des Loslassens üben wir uns in der Meditation. Durch die Konzentration auf ein Meditationsobjekt wird uns oft erst bewusst, wie viele Gedanken wir denken. Das merken wir immer daran, dass wir uns eben nicht dauerhaft auf unser Meditationsobjekt (z.B. die Atmung) konzentrieren, sondern immer den Gedanken und Gefühlen, die in uns aufsteigen „nachhängen“. Ziel der Meditation ist es zu erkennen: „Ah, meine Aufmerksamkeit ist nicht mehr bei dem Meditationsobjekt, sondern bei einem Gedanken …Loslassen“ …und wieder zurück zum Meditationsobjekt.

Durch diese Technik erkennen wir, was wir so alles denken, erkennen welche Gedanken besonders intensiv sind und erkennen, dass wir nicht dieser Gedanke sind. Wir sind eben viel mehr als die Summe unserer Gedanken!

Hieraus entsteht oft in kurzer Zeit eine große Klarheit und uns wird deutlich, welche Handlung unserer Seele entspricht. Es entsteht Friede und Freiheit. Frieden, da man nun klar sieht und aus dieser Klarheit sehr angemessen handeln kann. Freiheit, da wir nicht mehr von unseren Gedanken beherrscht werden, sondern uns ganz frei für eine Alternative entschieden haben. Es entsteht auf einmal aber auch Frieden und Freiheit, da die Handlungsweisen, die tiefer Meditation entspringen, dann eben in sich viel friedlicher sind und von dem Gedanken der Freiheit für alle geprägt sind.

Oder wie Gandhi sagte:

„Auge um Auge und die ganze Welt wird blind sein!“

Dies zu erkennen und zu erleben, ist ein sehr heilsamer Prozess. Es macht Geschehnisse nicht weniger schlimm, aber durch die Meditation haben wir ein sehr wirkungsvolles Werkzeug in der Hand, um viel friedvoller und vorausschauender zu handeln und zu denken.