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In der heutigen Zeit der Gleichstellung der Geschlechter möchte ich an dieser Stelle doch auf einen entscheidenden Unterschied hinweisen: den Beckenboden. Alle Menschen haben einen Beckenboden und doch gibt es große Abweichungen zwischen den Geschlechtern.

Diese Unterschiede beziehen sich auf den Aufbau des Beckenbodens, die Anforderungen, die durch das Leben an ihn gestellt werden und die Sozialisation. Hieraus ergeben sich auch ganz verschiedene Anforderungen an das Training des Beckenbodens für Männer und Frauen.

Die Gemeinsamkeiten – Die Bedeutung des Beckenbodens:

Der Beckenboden hat ganz unterschiedliche Funktionen. Zum einen schließt er den Bauchraum nach unten ab und sogt dafür, dass die Organe nicht nach „unten fallen“.
Darüber hinaus ist er für die gerade aufrechte Haltung sehr wichtig und nahezu an jeder Bewegung des menschlichen Körpers beteiligt. Aus energetischer Perspektive sprechen ihm die Yogis auch eine große Bedeutung zu. Auf Höhe des Beckenbodens findet sich das Muladhara Chakra (Wurzelchakra). Seine Energie beeinflusst nicht nur den Beckenboden, sondern auch die Beine und sogar die Füße. Er ist für Qualitäten wie das Selbstbewusstsein, das Gefühl von „mit beiden Beinen fest im Leben stehen“ – eben für unsere Verwurzelung – verantwortlich.

Anatomische Unterschiede

Der Beckenboden von Männern hat zwei Öffnungen (Harnröhre und Anus), der der Frau hingegen 3 Harnrühre, Vagina und Anus). Schon hieraus lässt sich erkennen, dass der Beckenboden des Mannes zwar einfacher aufgebaut ist, aber dadurch mehr Kraft entwickeln kann.
Ein weiterer Unterschied bezieht sich auf die Beckenform, welche der Beckenboden „überspannt“. Die untere Öffnung ist bei Frauen oft größer als bei Männern, ja da hier bei der Geburt das Kind hindurch muss.

Funktionelle Unterschiede

Bei der Geburt des Kindes muss sich der Beckenboden weiten und sehr elastisch sein, um die Geburt nicht unnötig zu verkomplizieren. Deswegen ist der weibliche Beckenboden viel elastischer als der männliche Beckenboden.

Unterschiede in der Sozialisation

Für Männer ist das Thema „Beckenboden“ oft nicht so präsent wie für Frauen. Den meisten Frauen ist nach der Schwangerschaft klar, dass sie den Beckenboden trainieren müssen. Bei Männern gibt es keinen so offensichtlichen und populären Grund, in irgendeiner Lebensphase den Beckenboden zu trainieren. Deswegen ist der Beckenboden bei Männern aufgrund der Nichtbeachtung und der wenigen Trainingsreize oft unbeweglich. Bei Frauen ist eher ein zu schwacher Beckenboden zu erkennen.
Es gilt also die Faustformel: Männer brauchen eher mehr Dehnübungen für den Beckenboden, Frauen mehr Kräftigung.

Training des Beckenbodens- Die Mischung macht’s!

Egal ob Männlein oder Weiblein: Beim Training des Beckenbodens sollten immer die Komponenten Körperbewusstsein, Elastizität/Dehnung und Kraft enthalten sein. Bei Frauen liegt der Schwerpunkt eher in der Kräftigung und bei Männern in der Elastizität und Dehnung.

Wie sehen die unterschiedlichen Übungen aus?

Das Körperbewusstsein und die Elastizität sollten beim Training des Beckenbodens immer an erster Stelle stehen. Deswegen übe ich in meinen Yogastunden zu Beginn auch sehr oft eine der besten Übungen hierfür: Katze-Kuh.

1. Katze-Kuh: Für mehr Beweglichkeit und Elastizität

Da die Knie und die Hände auf dem Boden aufstehen, können wir uns mit allen Sinnen auf den Beckenboden konzentrieren und uns sogar vorstellen, wie auf den Weg in die Hohlkreuzposition sich die Sitzbeinhöcker weiten und sich die Sitzbeinhöcker mit dem Rundwerden des Rückens wieder zueinander schieben.

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Bei dieser Asana kann man sogar die Augen schließen, dann die ganze Aufmerksamkeit in den Beckenboden schicken und sich vorstellen wie sich die Beckenbodenmuskulatur mit der Einatmung fußwärts ausdehnt und mit der Ausatmung Richtung Rippen nach oben zieht.

2. Blitz: Ein kräftiger Beckenboden

Wir können die Beine wesentlich einfacher beugen, wenn wir die Power hierfür aus dem Beckenboden holen. Um also den Beckenboden anzuspannen, stellen wir uns „auf dem Weg in den Blitz“ vor, wie sich die Sitzbeinhöcker oder Scharm und Steißbein zueinander ziehen. Spürt man dabei, dass wir uns in die Hohlkreuzposition schieben, ist eher weniger Spannung im Beckenboden! Es gilt also immer: ein „Miniholkreuz“ ist ok, aber mehr sollte es bitte nicht sein.

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3. Dehnen und Elastizität: Happy Baby Pose

In der Happy Baby Pose liegen wir auf dem Rücken und ziehen die Knie an den Körper. Hierbei können wir uns so wundervoll vorstellen, wie sich der Beckenboden auseinander zieht und sich die Beckenbodenmuskulatur weitet. Dabei kann man diesen Effekt noch mehr verstärken, indem man sich vorstellt, wie sich der Beckenboden mit der Einatmung nach unten hin ausdehnt.

Diese 3 Übungen geben einen guten Einstieg in das Training des Beckenbodens. Weitere Yogaübungen zur Aktivierung des Beckenbodens findest du hier:

Das Thema „Beckenboden“ ist so vielschichtig, dass wir in diesem Artikel nur einen einzelnen Aspekt beleuchten können. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie die Dinge im Körper miteinander in Verbindung stehen. So hängt die Spannung im Beckenboden z.B. von der Stellung der Füße und einem korrekt ausgebildeten Fußgewölbe zusammen. Faszinierend ist auch, dass ein verspannter Kiefer sehr häufig zu einem verspannten Beckenboden führen kann. Es lohnt sich also, sich intensiv mit dem Thema Beckenboden zu beschäftigen. Gerade in der UNIT Yoga Pre- und Postnatal Ausbildung, beschäftigen wir uns in aller Ausführlichkeit mit dem Beckenboden!
Mehr Infos zu unserer Pre- und Postnatal Ausbildung hier >>>

Zudem haben wir das Buch „Yoga nach der Schwangerschaft“ geschrieben, welches speziell auf die einzelnen Bedürfnisse abgestimmte kurze Übungsreihen bietet, die unter anderem helfen den Beckenboden wieder auf Vordermann zu bringen und den Körper fit und geschmeidig zu halten.