Vor einiger Zeit habe ich ein Gedicht von Goethe gehört und war sofort fasziniert, weil es sehr treffend, die Reise zu sich selber beschreibt, die ein maßgeblicher Bestandteil von Yoga ist.
Von vielen großen Denkern und Philosophen ist bekannt, dass sie sich mit den Yogaschriften beschäftigt haben, ob das bei Goethe der Fall war, kann ich nicht sagen. Vielleicht das ist eigentlich auch nicht so entscheidend, denn schließlich ist der Kern vieler Religionen, Philosophien und Weltanschauungen die Fähigkeit, in sich hineinzuspüren und herauszufinden, wer man wirklich ist.
Johann Wolfgang von Goethe schrieb:
„Vom Vater hab ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen,
Vom Mütterchen die Frohnatur
Und Lust zu fabulieren.
Urahnherr war der Schönsten hold,
Das spukt so hin und wieder;
Urahnfrau liebte Schmuck und Gold,
Das zuckt wohl durch die Glieder.
Sind nun die Elemente nicht
Aus dem Komplex zu trennen,
Was ist denn an dem ganzen Wicht
Original zu nennen?“
Heute würde man den Inhalt des Gedichts wohl so zusammenfassen: Wieviel des menschlichen Verhaltens ist durch Sozialisation erworben, wieviel ist durch die Genetik bestimmt und was bleibt übrig, wenn man das Wesen des Menschen um diese beiden Faktoren erleichtert? Was ist also das wahre Wesen des Menschen, oder um in Goethes Worten zu sprechen: Was als „…original zu nennen…“?
Die Antwort der Yogaphilosophie:
Diese hier aufgeworfene Frage, kann gut mit Hilfe der Yogaphilosophie beantwortet werden. So könnte die Frage lauten: Was ist die Essenz, die übrig bleibt, wenn man das Wesen des Menschen um alle Einflüsse von außen reduziert?
Die Antwort: Sat-Chit-Ananda
In der Yogaphilosophie stehen diese 3 Sanskritbegriffe für die wahre Essenz, des Menschen. Sat– bedeutet SEIN, Chit-bedeutet WISSEN und Ananda– bedeutet GLÜCKSELIGKEIT.
Wir sind unendliches SEIN -ohne Anfang und Ende-, unsere Essenz (auch Seele genannt) ist also dauerhaft und kann nicht sterben. Was stirbt ist unserer Körper, aber eben nicht unsere Seele.
Chit– Wir sind absolutes WISSEN. In uns ist alles Wissen vorhanden. Wir erkennen es nicht immer sofort, (um in Platons Worten zu sprechen) es ist „verschüttet“ und muss freigelegt werden, aber wir haben alles Wissen in uns.
Ananda– Wir sind GLÜCKSELIGKEIT. Das Gefühl von Glück ist also unsere „normale“ Stimmung. Die Geschehnisse des Alltags überlagern mehr oder weniger oft dieses Gefühl, doch tief in uns ist die Glückseligkeit immer da.
Sat-Chit-Ananda erfahren
Dieses Konzept klingt im ersten Moment etwas abstrakt, doch ist Yoga eine Erfahrungswissenschaft. Wir brauchen also nicht blind zu glauben, sondern jeder von uns hat die Möglichkeit, es zu überprüfen. Die Werkzeuge hierzu sind z.B. in den Yogasutren des Patanjali beschrieben. Im Wesentlichen sind es ethisch korrekter Umgang mit sich und anderen, innere und äußere Reinheit, Atemübungen (Pranayama), Körperübungen (Asana) und der Rückzug der Sinne (Meditation).
Dies sind die Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, um unsere wahre Natur zu erfahren. In diesem Sinne: Ab auf die Matte und viel Spaß beim Praktizieren, oder um mit Goethes Worten zu sprechen:
„Die Natur verbirgt Gott! Aber nicht jedem!“
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