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Letzte Woche haben wir unsere 3 Blogbeitäge über Yin Yoga angekündigt. Als erstes beschäftigen wir uns mit dem Körper und den Faszien.

In der Asanapraxis ist es wichtig, sich mit der Anatomie des Körpers vertraut zu machen, denn schließlich wollen wir unserem Körper etwas Gutes tun. Da ist es dafür natürlich selbstverständlich, sich mit dem Körper und seinen Bedürfnissen auseinanderzusetzten, zu verstehen, welche Gelenkwinkelstellungen einem bestimmten Gelenk gut tun und welche besser zu vermeiden sind.

Im Yin Yoga tritt hier ein Organ in den Vordergrund, welches erst seit Kurzem in den Fokus der Anatomischen Betrachtung gerückt ist: Die Faszien. Faszien sind Bindegewebs-Strukturen, die den ganzen Körper durchziehen. Da sie im Prinzip überall sind, wurden sie lange Zeit in anatomischen Betrachtungen weggelassen und als Füllmaterial angesehen.

Mittlerweile erahnen die Wissenschaftler, welch famoses Kunstwerk die Faszien darstellen. Studien deuten darauf hin, dass die Faszien für die Kommunikation im Körper sehr wichtig sind, Bewegungen initiieren, aber auch psychische Belastungen speichern können. So scheinen sie bei vielen Menschen die Ursache für Rückenschmerzen zu sein.

"verklebte" Faszien können Ursachen für Rückenschmerzen sein

„verklebte“ Faszien können Ursachen für Rückenschmerzen sein

 

 

 

 

 

 

Faszien und ihre Wirkung auf den Körper und die Psyche

Beim Yin Yoga nimmt man eine Körperstellung, die sich an den Asanas des Hatha Yogas orientiert ein und hält diese für 3-5 min. Dabei sind aber ganz bewusst die Asanas ausgewählt, in denen der Schwerpunkt auf dem Dehnen bestimmter Regionen des Körpers liegt. Die kräftigenden (Yang) orientierten Asanas sind in diesem System außen vor. Das hängt mit der unterschiedlichen Beanspruch der verschiedenen Strukturen im Körper zusammen.

Übt man eine kräftigende Yogastellung, so arbeitet im Wesentlichen die Skelettmuskulatur. Die Muskulatur spannt sich an und leistet Haltearbeit. Ein gutes Beispiel dafür, ist der Krieger 3.

In Dehnpositionen hat die Muskulatur hingegen weitgehend Pause. Das hängt mit dem Aufbau der Muskulatur zusammen. Ein Muskel kann sich aktiv zusammenziehen (kontrahieren), wenn er aber loslässt kann er durch die Schwerkraft oder einen anderen Muskel „in die Länge gezogen“, also gedehnt werden. Dabei ist der Muskel von dem Faszien-Gewebe umgeben und durchzogen. Faszien kann man sich am Besten als eine Art Wurstpelle vorstellen, die dafür sorgt, dass die Füllung nicht nach außen quillt. Zieht man die Wurst nun langsam auseinander und hält dann die Position für 3-5min, so wird nicht nur das Muskelgewebe auseinander gezogen, sondern auch das Fasziengewebe gedehnt.

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Der Schwerpunkt beim Yin-Yoga liegt bei den Dehnpositionen

Die umfassende Wirkung des Fasziensystems ist noch nicht endgültig geklärt. Doch je mehr sich die Wissenschaft mit den Faszien beschäftigt, desto klarer wird, wie zentral die Funktion der Faszien auf den gesamten Körper aber eben auch auf unser Wohlbefinden ist. Hierzu ein Bespiel: Wir ärgern uns über etwas. Bei vielen hat das eine sofortige Wirkung auf den Nacken oder den Lendenwirbelbereich: Aus der Mentalen Anspannung wird körperliche Anspannung und dann sogar Verspannung. Viele von diesen „Nackenschlägen“ summieren sich, aus der Verspannung wird eine Fehlhaltung, aus der Fehlhaltung chronische Schmerzen, aus den chronischem Schmerzen ein Bandscheibenvorfall. Doch das, was sich da verspannt ist sehr oft das Fasziengewebe. Es speichert also gewissermaßen den Ärger im Gewebe und lässt uns „hart“ und „engstirnig“ werden …im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Stress hat sich im Körper manifestiert und dadurch entsteht eine wechselseitige Wirkung auf den Geist. Auch dann, wenn wir uns eigentlich entspannen könnten, signalisiert uns das Fasziengewebe „Anspannung“. Wir sind dauernd „unter Strom“.

Regenerierendes Yoga als Lösung

Aus dieser Perspektive betrachtet wird sehr schnell klar, warum regenerierendes Yin Yoga so gut. Behutsam lösen wir die Spannung, wir lassen los. Erst körperlich, wodurch sich der körperlich manifestierte Stress oder Ärger auflöst. Die Faszien werden wieder weich und flexibel. Unter dem Mikroskop betrachtet kann man erkennen, dass sich der Faszien nun wieder ganz harmonisch ausrichteten, während sie sich bei Stress und Ärger „verknoten“ ungefähr so, wie Spagetti, wenn sie um eine Gabel gewickelt werden. Mit dem Loslassen der körperlichen Anspannung lösen sich dann auch die Emotionen, die wir ja in unseren Faszien quasi „abgespeichert“ hatten. Der Ärger lösst sich quasi auf. Manchmal erleben wir es, dass wir in der Körperstellung noch einmal schlechte Laune bekommen oder anfangen zu weinen oder zu lachen. Die in den Faszien abgespeicherte Emotion verlässt dann gerade den Körper, jedoch nicht, ohne sich nochmal anständig zu verabschieden.

Das ist der Grund, warum auf einmal in der Position Wut, Trauer oder Freude in einem aufsteigt und man sie so loslassen kann.

Durch die Dehnpositionen wird das Bindegewebe weich und flexibel

Durch die Dehnpositionen wird das Bindegewebe weich und flexibel

Positive Effekte

Auf körperlicher Ebene hat Yin Yoga aber natürlich auch einen sehr großen Effekt. Durch das lange Halten der Dehnpositionen, wird das Bindegewebe wieder weich und flexibel. Wir werden wieder Beweglicher, da wir einen größeren Freiheitsgrad in den Gelenken bekommen, gleichzeitig werden wir geschmeidiger in unseren Bewegungen. Die zusätzliche Beweglichkeit hilft den Muskeln, uns in die gerade aufrechte Haltung zu ziehen, die Geschmeidigkeit beugt Verletzungen vor, da uns der geschmeidige Bewegungsapparat im wahrsten Sinne des Wortes Fehltritte viel schneller verzeiht.

Namaste,

eure Romana & Holger Zapf

Yin Yoga und die Lebensenergie:

Im nächsten Artikel werden Romana und Holger die Zusammenhänge von Yin Yoga und die Lenkung der Lebensenergie beschäftigen.