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Atmen ist etwas ganz selbstverständliches. Schließlich nehmen wir pro Tag über 20.000 Atemzüge! Doch hast Du schon mal ganz bewusst Deine Atmung beobachtet? Wie atmest Du z.B. in Situationen, in denen es stressig ist, wie in Situationen in denen Du entspannt bist? Kann die Atmung vielleicht sogar Deinen Gemütszustand beeinflussen?

Atmungsmuster

Sind Patienten an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, ist die Atemfrequenz eines der wichtigsten Parameter, die beobachtet werden. Hier wird ganz schnell klar, dass Atmung mit Leben gleichzusetzen ist! Oft schenken wir den Handlungen, die sich ständig wiederholen und die automatisiert sind, nicht die gleiche Bedeutung wie den Handlungen, die wir nicht so oft durchführen. Das was wir oft machen wird zur Normalität, ist nichts besonderes mehr. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum sich so wenige Menschen für die korrekte Fußstellung und eben auch für die Atmung interessieren.
Dabei ist es so wertvoll und lohnenswert, sich mit der Atmung (mit den Füßen auch, aber das ist hier nicht das Thema) zu beschäftigen. Denn oft haben wir uns falsche Atemmuster angewöhnt. Denn wenn wir unsere Atmung beobachten, stellen wir schnell fest, dass sich Atemtiefe und -frequenz situativ verändern.

Zum einen passt sich die Atmung dem Sauerstoffbedarf der Muskulatur an. Bewegen wir uns schneller, brauchen die Muskeln mehr Sauerstoff, um in den Zellkraftwerken (den Mitochondrien) Energie bereit zu stellen. Folglich steigt die Atemfrequenz und natürlich auch die Herzfrequenz. Stellen wir uns die roten Blutkörperchen wie kleine Lastwagen vor, sorgt der Anstieg der Herzfrequenz dafür, dass mehr LKWs pro Zeit am „Waren-Zentral-Lager“ der Lunge ankommen. Die Lunge nimmt dann erst das Abfallprodukt Kohlendioxid von der Ladefläche und packt dann Sauerstoff auf die Ladefläche. Je mehr LKWs aufgrund der gestiegenen Herzfrequenz ankommen, desto höher ist also die Atemfrequenz. Durch das schnellere Atmen sorgt die Lunge dafür, dass -um im Bild zu bleiben- kein Stau entsteht.
Wird körperliche Belastung dann wieder reduziert, verlangsamt sich die Atemfrequenz auch wieder, schließlich müssen ja nicht mehr so viele LKWs beladen werden.

Atmung & Psyche

Die Atmung passt sich aber auch in Situationen psychischer Anspannung an. Erschreckt man sich, atmet man eher ein und baut Spannung im Körper auf, entspannt man sich (so wie abends, wenn man sich auf die Couch sinken lässt), atmet man eher aus und wird relaxter.
Noch eindrucksvoller ist die Anpassung der Atmung wenn man sich so richtig ärgert oder Stress hat. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet, entspricht das einem Zustand in dem man sich auf das Kämpfen oder Fliehen vorbereitet. Es wird ein Stresshormoncocktail ausgeschüttet, der dafür sorgt, dass die Arme und Beine gut durchblutet sind (um mit dem Säbelzahntiger kämpfen oder vor ihm fliehen zu können), die inneren Organe werden weniger gut durchblutet (es wäre ja blöd mitten im Kampf auf die Toilette zu müssen) und die Atmung beschleunigt sich, um einen Sauerstoff-Engpass bei der Energiebereitstellung vorzubeugen.
Durch das Kämpfen oder Fliehen wird dieser Hormoncocktail dann quasi verbrannt und wir können uns danach wieder richtig gut entspannen. Doof nur, wenn wir -wie in unserem Alltag üblich- weder kämpfen noch fliehen, sondern uns einfach nur ärgern oder das Gefühl haben, uns wächst alles über den Kopf.

Macht der Atmung

Holger-PranayamaBis hierin klingt es fast so, als würde sich die Atmung nur den entsprechenden Bedürfnissen anpassen. Wäre das so, wäre auch alles in Ordnung. Doch ist der Körper sehr feinfühlig und die Mechanismen funktionieren auch umgekehrt: Ist die Atemfrequenz erhöht, denkt der Organismus, dass es gerade etwas zu bekämpfen gibt oder Wegrennen angesagt ist und versetzt aufgrund der falschen Atemfrequenz den gesamten Körper in Alarmbereitschaft.
Haben wir uns beim Sprechen eine zu flache Atmung angewöhnt, wirken und fühlen wir uns hektisch und unausgeglichen und sind schnell müde und abgeschlagen, ohne zu wissen warum.
Deswegen macht es so viel Sinn, sich intensiv mit den eigenen Atemgewohnheiten auseinander zu setzen. Wann atme ich wie tief? Wie atme ich, wenn ich spreche? Wie atme ich wenn ich mich unruhig fühle?
Wenn wir uns unserer eigenen Atmung wieder bewusst werden, können wir über die Atmung unseren Gemütszustand maßgeblich beeinflussen. Mehr Ruhe, mehr Entspanntheit und mehr Kontrolle über die eigenen Gemütszustände und Emotionen warten auf uns.

Atmung in der Yogaphilosophie

All das haben auch schon die Yogis vor über 2000 Jahren erkannt. Sie haben beobachtet, wie sie in bestimmten meditativen Zuständen in einen bestimmten Atemrhythmus gefallen sind. Später haben Sie erkannt, dass sie sich durch diesen Atemrhythmus auch wieder in den selben Gemütszustand hinein atmen können!
Auch wenn wir nicht überbewusste Zustände anstreben, sondern „nur“ Entspannung, eine Anheben des Energieniveaus und inneren Frieden, können wir hier über bestimmte Atemtechniken ausgesprochen große Wirkungen erzielen.
Wenn man sich klar wird, wie wirkungsvoll bewusstes Atmen bei gesunden Menschen ist, liegt es auf der Hand, dass die Wirkung bei Erkrankungen der Atemwege ebenfalls eine sehr große Wirkung haben kann. Hier steht dann eher eine Verbesserung der Sauerstoffaufnahme im Vordergrund. Da die Atemmuskulatur aber genauso gut trainiert werden kann, wie andere Muskeln des Körpers, kann atemtherapeutisches Arbeiten sehr große Effekte erzielen.
Das schöne ist, dass die Yogis die Wirkung der Atmung auf Geist und Seele schon seit 2000 Jahren erforscht haben. Im Yoga heißen die Atemtechniken Pranayama. Prana die Lebensenergie die bewusst gelenkt und in bestimmte Körperregionen geleitet wird. In einer grundlegenden Schrift für Yoga, der Hatha Yoga Pradipika sind die Atemtechniken zwar eher darauf ausgelegt um den Yogi zur Erleuchtung zu führen, doch können wir auf dem Weg dorthin durch bewusstes und gezieltes Atmen auch das irdische Dasein in vollen (Atem)Zügen genießen.

Wenn du mehr über den therapeutischen Nutzen des Atems erfahren möchtest, kannst Du Dich auf die Atemtherapie Ausbildung mit Holger Zapf freuen. Alle Infos gibt es hier auf der UNIT Website.